21. Mai 2010

Sondierungsgespräche gescheitert!

Zur aktuellen Situation ein offener Brief der Landesvorsitzenden und der Spitzenkandidatin an die Partei:

Die gemeinsame Sondierung von SPD und Grünen mit der Linken ist beendet – die Linke verhindert einen Politikwechsel in NRW

Liebe Freundinnen und Freunde,

wie ihr wisst, gab es heute ein gemeinsames Sondierungsgespräch von SPD und Grünen mit der Linken. Es war sowohl für uns als auch für die SPD ein sehr ernsthaftes Gespräch mit einer klaren Option auf eine gemeinsame Koalition, die einen echten Politikwechsel in NRW möglich gemacht hätte. Wir haben knapp fünf Stunden in einer sachlichen, fairen Atmosphäre getagt und anhand einiger zentraler Punkte auszuloten versucht, wie tragfähig eine gemeinsame Regierung in einem Dreierbündnis wäre. Wenn die Linke im Nachhinein von einer „Alibi-Veranstaltung“ spricht, ist das ein Entlastungsversuch, um vom eigenen Unvermögen abzulenken. Wir haben gemeinsam mit der SPD versucht, die Gespräche zum Erfolg zu führen.

Das Ergebnis war für uns und für die SPD sehr ernüchternd und hat gezeigt, dass es in essentiellen Punkten keine gemeinsame Grundlage für eine Regierung im größten Bundesland gibt. Dies war nicht nur die einstimmige Einschätzung der Grünen Sondierungsgruppe, sondern auch die der SPD. Insgesamt ist es nicht gelungen, das für eine Regierungsbildung aus unserer Sicht nötige Grundvertrauen aufzubauen und die nötige Verlässlichkeit herzustellen.

Kritische Punkte waren vor allem:

–          Wir hatten übereinstimmend den Eindruck, dass mit der Linken kein verlässliches Regierungshandeln sicher gestellt werden könnte. Sie sind nicht sicher und erfahren genug, um eine gemeinsame Regierung zu tragen und nicht in der Lage, die an sie gestellten Erwartungen an ein verantwortungsbewusstes Regierungshandeln zu erfüllen.

Es gab zudem keine Verständigung mit der Linken darüber, dass eine Partei Regierungshandeln mittragen muss. Die Linke hat sich offen gehalten, in schwierigen Situationen als Landespartei auch gegen ihre Fraktion und eine gemeinsame Regierung z.B. zu Demos zu mobilisieren. Für ein stabiles und verantwortungsbewusstes Regierungshandeln im größten Bundesland mit den Herausforderungen der kommenden Zeit ist es aus unserer Sicht untragbar, dass die Linke damit Regierung und Opposition in einem sein will.
Die Linke hat sich nicht auf ihre Rolle als Parlamentsfraktion vorbereitet. Sie kommt aus der außerparlamentarischen Opposition, ihr fehlen grundlegende Kenntnisse der Landespolitik. Auch das hat zu den grundlegenden Zweifeln an einer Regierungsfähigkeit der Linken beigetragen.

–          Wichtig war auch der Versuch, ein gemeinsames  Demokratieverständnis herzustellen. Das scheiterte daran, dass die Linke immer wieder relativiert hat, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Die Linke war in der Konsequenz nicht bereit, die „Thüringer Erklärung“ zu unterschreiben, ein gemeinsames Papier von Linkspartei, SPD und Grünen, in dem die DDR klar als „Unrechtsstaat“ bezeichnet wird. Für uns war es wichtig, auch aufgrund der öffentlichen Diskussion, in diesem zentralen Punkt  eine gemeinsame Linie mit der Linken zu haben, die man geschlossen nach außen darstellen kann. Formelkompromisse verbieten sich bei dieser Frage für uns als Bündnis 90/Die Grünen.

–          Ebenso gab es kein gemeinsames Verständnis darüber, dass der Verfassungsschutz als Instrument zur Sicherstellung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger notwendig ist. Die Linke rückte nicht von ihrer Position ab, dass sie den Verfassungsschutz eigentlich abschaffen will.

–          In der Haushaltspolitik, die angesichts von Finanzkrise und angespannter Haushaltslage und Verschuldung ein ganz zentraler Punkt gemeinsamen Regierungshandelns ist, haben wir keinen verantwortungsbewussten Weg gemeinsamen Regierungshandelns in Zeiten von Sparzwang erkennen können. Die Linke ließ noch nicht mal die Bereitschaft erkennen, über möglicherweise überflüssig werdende Stellen beim Landespersonal zu reden (z.B. Stellen mit kw-Vermerk („künftig wegfallend“).

Wir bedauern sehr, dass Die Linke einen sozial-ökologischen Politikwechsel in NRW verhindert hat. Die Linke hat damit ihren Wählerauftrag für einen Regierungswechsel klar nicht erfüllt.

Wir bedauern es sehr, dass es trotz aller Anstrengungen der letzten Tage nicht gelungen ist, gemeinsam mit der SPD ein Regierungsbündnis herzustellen, denn in den gemeinsamen Gesprächen mit der SPD haben wir trotz kritischer Punkte einen großen Vorrat an gemeinsamen Punkten für einen Politikwechsel feststellen können und freuen uns über den außerordentlich fairen Umgang.

Vor dem Hintergrund, dass es schon wieder zu Spekulationen über eine mögliche Ampelkoalition kommt, wollen wir noch mal festhalten, dass von unserer Seite keine erneuten Gesprächsangebote an die FDP gehen.

Der Ball liegt jetzt im Feld von SPD und CDU. Sollte es zu einer Großen Koalition kommen, machen wir, was wir gut können: eine offensive, fundierte Oppositionspolitik mit einer deutlich gestärkten Grünen Fraktion. Wir streiten weiter für mehr Bildungsgerechtigkeit, eine Energiewende und handlungsfähige Kommunen.

Für Rücksprachen stehen wir selbstverständlich zur Verfügung und danken euch für die solidarische Begleitung des auch für uns nicht einfachen Prozesses. Wir werden euch zeitnah zu einer Telefonkonferenz einladen, um unser weiteres Vorgehen miteinander zu beraten.

Mit herzlichen Grünen Grüßen

Sylvia Löhrmann, Daniela Schneckenburger und Arndt Klocke

Grüne Sondierungsgruppe: Daniela Schneckenburger, Arndt Klocke, Reiner Priggen, Barbara Steffens, Johannes Remmel, Volker Beck, Horst Becker
Weitere Mitglieder der Verhandlungskommission: Monika Düker, Sven Lehmann, Katja Dörner, Irmingard Schewe-Gerigk, Mehrdad Mostofizadeh, Sigrid Beer