30. Juni 2020

Rede: Diskriminierung bei der Blutspende beenden

Letzte Woche wurde im #Landtag ein gemeinsamer Antrag von Grünen, CDU, SPD und FDP beschlossen, dass die Diskriminierung von bi- und homosexuellen Männern und transsexuellen Menschen bei der Blutspende, über das absurde einjährige Sex-Verbot, beendet werden muss!

Den Startschuss dazu gab ein grüner Plenarantrag. Gesundheitsminister Laumann sagte in seiner Rede zu, dass er in ihrer Angelegenheit zeitnah die zuständige Bundesärztekammer mit dem Ziel einer Änderung dieser diskriminierenden Praxis kontaktieren wird #NRW

Rede in Textform:

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass es uns heute gelungen ist, hier einen mittlerweile zwischen den vier Fraktionen CDU, FDP, SPD und Grünen abgestimmten Antrag zum Thema „Blutspende“ vorzulegen.

Das Thema ist wichtig und relevant. Alle, die sich in diesem medizinischen Bereich auskennen, wissen, dass wir zu wenige Blutkonserven haben. Gerade die Pandemie hat noch einmal dazu geführt, dass wir hier einen deutlichen Rückgang zu verzeichnen haben. Umso weniger verständlich ist es, dass immer noch Menschen in dieser Gesellschaft von der Blutspende ausgeschlossen sind. Dazu gehören bisexuelle, homosexuelle Männer und Transsexuelle.

Die Debatte hat vor wenigen Wochen auch im Bundestag stattgefunden. Dort haben sich die Fraktionen leider nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt.

Die Grünen und die FDP hatten hier den Vorstoß gewagt, dass die bisher gültige Regelung, dass bisexuelle und homosexuelle Männer faktisch von der Blutspende ausgenommen sind, aufgehoben werden soll und dieses Quasi-Verbot eben zukünftig nicht mehr gelten soll. Das ist von den Regierungsfraktionen in Berlin, CDU/CSU und SPD, abgelehnt worden.

Was ist der Grund für diese Vorsicht? Fast alle hier im Plenum werden sich an das Aufkommen der Krankheit Aids, an das Aufkommen der HIV-Infektionen in den 80er-Jahren erinnern. Weil es damals noch keine ausreichenden Testmöglichkeiten gab, hat man in den ersten Jahren im Nebel gestochert, woher diese Krankheit überhaupt kam. Es gab kein vernünftiges Testverfahren. Der erste HIV-Test wurde erst 1985 auf den Markt gebracht, auch wenn die ersten Krankheitsfälle schon im Jahre 1981 in den USA festgestellt worden waren. Es waren in dieser Anfangszeit des Bekanntwerdens der Erkrankung vor allen Dingen homosexuelle Männer, die betroffen waren.

Aus dieser Zeit rührt das Verbot für homosexuelle Männer, bei der Blutspende aktiv zu werden. Nur haben wir jetzt das Jahr 2020. Eine HIV-Infektion ist zwar weiterhin chronisch und nicht heilbar, aber mittlerweile eine behandelbare Erkrankung geworden. Darüber hinaus haben wir ganz andere Testverfahren. Heutzutage kann man schon nach zehn Tagen über einen sogenannten PrEP-Test feststellen, ob jemand HIV-infiziert ist oder nicht, und spätestens nach sechs Wochen ist mit dem jetzt gültigen HIV-Test, der in einer normalen Arztpraxis durchgeführt wird, zweifelsfrei festzustellen, ob eine Infektion vorliegt oder nicht.

Deswegen ist es absolut unverständlich, warum homosexuelle oder bisexuelle Männer ein ganzes Jahr auf die Ausübung von Sexualität verzichten sollen. Welch irreale Vorstellung für einen gesunden Menschen! Selbst wenn sie mit dem eigenen Ehemann und in einer monogamen Beziehung Geschlechtsverkehr haben, ist es verboten. Es gibt diesen Fragebogen, und jeder, der schon einmal Blut gespendet hat, weiß, dass man diesen wahrheitsgemäß ausfüllen muss. Damit ist man faktisch von der Blutspende ausgeschlossen.

Vor dem Hintergrund, dass es aufgrund der heutzutage gültigen Testverfahren überhaupt nicht notwendig ist, und angesichts der Tatsache, dass wir dingend Blutspenden brauchen, dass wir die Labore dringend auffüllen müssen, wäre es wichtig, hier einen Sprung nach vorne zu machen. Wir reden immerhin von etwa 10 % der Menschen in unserem Land. Man kann sich ausrechnen, wie viele es sind. Wir sprechen von vier bis fünf Millionen Männern, die von der Blutspende ausgeschlossen sind.

Ich finde, es ist ein starkes Signal, das heute vom Landtag ausgeht, auch wenn dieses Thema zu vorgerückter Zeit behandelt wird und wahrscheinlich auch nicht mehr viele zuschauen: Das größte Bundesland, Nordrhein-Westfalen, sagt in Richtung Bundesregierung: Diese diskriminierende Regelung muss beseitigt werden. Homo- und bisexuelle Männer und transsexuelle Menschen müssen zur Blutspende zugelassen werden.

Das ist meiner Meinung nach ein sehr erfreuliches und sehr klares Signal für Gleichberechtigung, für Vielfalt und Toleranz. Es ist auch ein medizinischer Fortschritt. Wir tun dem Deutschen Roten Kreuz und anderen Organisationen ein Gutes. Wir tun den Blutbanken ein Gutes. Wir hoffen und setzen darauf, dass die Landesregierung und ganz vorne unser NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann über den Bundesrat und über Gespräche mit der Bundesregierung in Berlin aktiv wird, dass es zu einer Änderung der Praxis kommt.

Ich weiß aufgrund meiner Tätigkeit als Kuratoriumsmitglied der Aidshilfe NRW, dass Sie, Herr Laumann, bei den Aidshilfen und vielen Gesundheitsorganisationen ein gutes Standing haben. Deswegen liegt viel Hoffnung in Ihnen. Erheben Sie Ihre Stimme in Berlin laut und deutlich, damit die Ärztekammer in der Gesetzgebung aktiv wird und wir zu einer Änderung der entsprechenden Regelung kommen. Aus Nordrhein-Westfalen haben Sie ganz klar Rückendeckung.

Abschließend möchte ich mich bei allen vier Fraktionen, die diesen Antrag mittragen, ganz herzlich bedanken. – Danke für die Aufmerksamkeit.