25. April 2016

Plenarrede zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030

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Der Landtag beschäftigte sich am 21.04.2016 unter anderem mit dem Entwurf des Bundes zum Bundesverkehrswegeplan. Arndt Klocke, der Verkehrspolitische Sprecher der Grünen, äußerte neben deutlicher Kritik an der verkehrspolitischen Eindimensionalität von CDU und SPD den Wunsch, den in der fachwelt längst vollzogenen  Paradigmenwechsel auch bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans umzusetzen: „Wir müssen unsere Straßeninfrastruktur endlich vernünftig auf den Weg bringen. Wir müssen endlich sanieren und Erhalt voranbringen. Das ist die zentrale Aufgabe.“

Protokoll:

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Andreas Becker, du hast viel Richtiges gesagt, eines war insbesondere richtig: Der Antrag fängt ja ganz vernünftig an: „Als industrielles Zentrum Deutschlands“- ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten – „ist Nordrhein-Westfalen daher auf ein leistungsfähiges Straßennetz angewiesen.“ Das ist völlig richtig. Daran arbeiten wir. Aber allein schon der Satz davor zeigt die Eingeschränktheit dieses Antrages: „Verkehrspolitik ist Wirtschaftspolitik“. Das ist auch richtig.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Aber Verkehrspolitik gewährleistet insbesondere die Mobilität der Menschen, und zwar im Alltag, alltäglich auf ihren Fahrten, auf Reisen, und sie ist ein Wirtschaftsfaktor.

Dieser Antrag äußert sich zum Bundesverkehrswegeplan. Das habe ich hoffentlich richtig verstanden. Aber er äußert sich inhaltlich ausschließlich zum Straßenbau. Das ist das, was CDU und FDP unter Verkehrspolitik verstehen: Straßenbau – nicht mehr. Es geht nicht um Sanierung, Ausbesserung und Erhalt, sondern um Straßenneubau.

(Christof Rasche [FDP]: Was habe ich denn eben gesagt?)

Herr Kollege Becker hat völlig Recht mit dem, was er eben gesagt hat. Wir hatten schon eine ganze Reihe von Runden zum Bundesverkehrswegeplan, zu denen das Ministerium eingeladen hatte. Ich erinnere mich zum Beispiel an die Runde im NRW-Forum vorletzte Woche. Vertreter von IHK, ADFC, ADAC, Wirtschaftsunternehmen, Landräte und Regionalräte waren da. Die Meinung querdurch war – insbesondere die Meinungen des ADAC-Vorstandsvorsitzenden und des Chefs des Neusser Hafens fand ich spannend –: NRW braucht eigentlich keinen Straßenneubau. Wir müssen unsere Straßeninfrastruktur endlich vernünftig auf den Weg bringen. Wir müssen endlich sanieren und Erhalt voranbringen. Das ist die zentrale Aufgabe. Nun sind der ADAC oder wahrscheinlich auch der Chef des Neusser Hafens nicht unbedingt grüne Parteigänger. Wenn man sich diesen Antrag durchliest, dann stellt man fest, dass es bei Ihnen ausschließlich leider wieder nur um die Frage von Straßenbau geht.

Wir von Rot-Grün gemeinsam haben, und zwar sehr vernünftig, mit der Straßenpriorisierung eine Liste vorgelegt, in der wir gesagt haben: Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche und auf das Finanzierbare. Wir wollen nicht, dass Straßen.NRW in den Regionaldirektionen hier und da Hunderte von Projekten plant – Hunderte von Umgehungsstraßen –, die überhaupt nicht dringend und drängend sind. Wir wollen, dass die zentralen Achsen, die zentralen Bereiche da vorangebracht werden, wo man dringend ausbessern muss, da, wo es um breitere Spuren und um Verbesserung der Knoten geht. Das ist die rot-grüne Straßenpriorisierung.

Das, was Sie wollen, ist doch wieder ein Zurück zu dem, was vorher war, nämlich dass Hunderte von Projekten in den verschiedenen Niederlassungen geplant werden, ewig liegen und nicht vorangebracht werden. Das haben wir beendet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kern?

Arndt Klocke (GRÜNE): Ich bin eigentlich gerade so im Redefluss, aber na gut. Ich vermute, er will mich zur Umgehungsstraße in Lemgo fragen, die B239, aber ich warte es einmal ab. Ich lasse es zu.

Vizepräsident Oliver Keymis: Gut, sehr nett.

Walter Kern (CDU): Danke schön. Genau das wollte ich fragen.

(Heiterkeit)

– Ja, er kennt seine Schwächen.

Ich möchte wissen, ob die Grünen dort ihre Position verändern und den als grau vermerkten Bereich jetzt wirklich als Entlastung für die A2 sehen. Das Geld ist vorhanden. Der Bund hat sehr deutlich gesagt, dass wir das zur Anbindung brauchen. Ich möchte wissen, wie Sie dazu stehen und wann Sie uns erklären, dass das jetzt endlich läuft.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD] – Heiterkeit von der SPD)

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Kollege Kern, ich kann Ihnen mitteilen, dass sich die Position der Grünen dort vor Ort nicht geändert hat. Wenn Sie aber detaillierte Aussagen zum Planungsprozess haben wollen, würde ich Ihnen den Tipp geben: Sprechen Sie mit der Straßenbauabteilung im Ministerium. Die sind sehr auskunftsfreudig. Oder stellen Sie eine Kleine Anfrage.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt würde ich gerne in der Rede fortfahren. Eben wurde von Herrn Voussem und von Herrn Rasche vorgetragen, wir hätten Uneinigkeit in der Koalition. Die sehe ich erst einmal nicht. Ich teile nur sozusagen die Euphorie nicht, die eben auch Herr Duin angesprochen hat. Es wäre ein grandioser Erfolg für Nordrhein-Westfalen. Die Euphorie teile ich nicht ganz. Ich möchte Ihnen erklären, warum.

Zukünftige Mobilität ist Multimodalität. Jeder Verkehrsplaner, jeder Verkehrswissenschaftler, egal, wo er steht, erklärt Ihnen das: Es geht um die Vernetzung der Verkehrsträger. Dieser Bundesverkehrswegeplan ist yesterday‘s world, 2016 aufgestellt, soll bis 2030 gelten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das, was in der modernen Mobilität eine wichtige Rolle spielt, nämlich die Verknüpfung der Verkehrsträger, auch die Fragen des Radverkehrs und der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität, spielt hier überhaupt keine Rolle.

Schauen Sie einmal nach Dänemark und in die Niederlande: rechtskonservative, rechtsliberale Regierungen. Das sind keine Grünen, die dort Verkehrsplanung machen. Die setzen genau das um. Wir sind doch mit dem Ausschuss extra dort hingefahren. Ich frage mich: Haben Sie da überhaupt nicht aufgepasst? In dem Bundesverkehrswegeplan spielt das überhaupt keine Rolle. Und in Ihrem Antrag spielt es erst recht keine Rolle. Deswegen werden wir den Antrag auch klar ablehnen.

Ich hätte mir gewünscht – das gebe ich offen zu –, dass das Ministerium in seiner Stellungnahme angesichts des vielen Richtigen, was angesprochen wurde, das auch berücksichtigt. Wir haben den Radschnellweg Ruhr, ein bundesweites Vorzeigeprojekt. Ich war gerade in der letzten Woche auf einem großen Verkehrskongress im Bundestag. Alle Verkehrsplaner – aus Bayern, Baden-Württemberg, Norddeutschland – loben diesen Radschnellweg Ruhr. Ich habe vor Kurzem beim FC-Spiel in Köln ein Mitglied des Evonik-Vorstands getroffen, CDU-Mitglied, der mir gesagt hat: Herr Klocke, da haben wir uns geirrt. Dieser Radschnellweg Ruhr ist das spannende Vorzeigeprojekt für das Revier.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da wird sich der Verkehrswandel entsprechend vollziehen. Die Menschen kommen vernünftig zum Arbeitsplatz und sind pünktlich am Arbeitsplatz. Das ist ein Zukunftsprojekt.

All das ist im Bundesverkehrswegeplan nicht berücksichtig. Deswegen sage ich Ihnen als Grüner: Da ist viel Vernünftiges enthalten, was die Knoten, die Ausbesserung, die Frage von Spurverbreiterungen, die Netzverstärkung angeht. Das alles ist richtig. Aber es fehlen viele Aspekte nicht nur im Bahnbereich, sondern gerade in der Frage der Multimodalität.

Deswegen können wir als Grüne nicht sagen, toller Plan, alles prima. Wir haben ganz vernünftige Kritikpunkte, die wir hier vortragen und die wir auch in der Presse vorgetragen haben. Wir bitten das Land Nordrhein-Westfalen bei der Rückmeldung, die jetzt zu geben ist, entsprechend auf diese Punkte einzugehen.

Es ist nicht alles schwarz-weiß. Es steht viel Vernünftiges drin, aber es gibt auch Einiges nachzubessern. Unser Wunsch wäre, dass die Landesregierung das aufnimmt und formuliert. Dann hat es auch unsere grüne Unterstützung. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)